Geschichte

Bereits zur Zeit Pythagoras um 500 v. Chr. gab es die Auseinandersetzung zwischen den streng rational-wissenschaftlichen und den mehr empirisch-magiegläubigen Ärzten. Platon und Aristoteles bezeichnete z.B. Pythagoras und einige seiner Schüler als Scharlatane und Schwindler. Die Lehre in der pythagoräischen Ärzteschule verkörperte eine Einheit der Medizin, die später kaum mehr erreicht wurde. Sie schloß magische Traditionen der Schamanen, heilende Musik, ägyptische Tempelmedizin, indische Heilkunst und das Wissen der Babylonier und Griechen ein.

Dialogisches Denken, Handeln.

K.Spitzy erklärt in seinem Buch „Dämonen und Hoffnung“ die Wirksamkeit der frühen Heilmethoden als Wirkungen des dialogischen Denkens und Handelns. Er zitiert M.Buber, nach dessen Philosophie ein ICH nur als ICH - DU oder als ICH - ES existiert. Dialogisch heißt in der ICH - DU Beziehung zu stehen als Subjekt. Bei der ICH - ES Beziehung steht das Objektive, materielle im Vordergrund. Er stellt den Schamanismus als die Extremform des dialogischen Handelns dar, in dem Heilung durch ein Höchstausmaß von Mitempfinden und Mitfählen möglich wird.
In der ICH - ES Beziehung wird das Subjekt letztlich auch zum Objekt. Er schreibt der dialogischen Medizin die Placebowirkung der komplementären Heilmethoden zu, sieht aber Placebo nicht abwertend sondern verlangt von jedem ärztlichen Tun eine solche Wirkung auch bewußt durch mehr menschlicher Zuwendung herbeizuführen. Aus diesem Grund verlangt er nicht nur eine ethische Grundausbildung der Mediziner, sondern auch eine philosophische und menschliche Einstellung.
Erst viel später um 1500 n. Chr. verband Paracelsus als hochethischer Arzt Magie und Astrologie einerseits mit chemisch - physiologischen Ansätzen andererseits und war somit nach etwa 2000 Jahren der erste „Ganzheitsmediziner“ in Mitteleuropa. Wie dialogisch er gedacht hat geht aus seinem Satz „Die höchste Medizin aber ist die Liebe“ hervor.

Hahnemann, der Begründer der Homöopathie am Ende des 18.Jh, kann zwar auch als wissenschaftlicher Ganzheitsmediziner angesehen werden, aber seine Kompromißlosigkeit gegenüber Kritikern seiner Heilkunst machte schon von seiner Seite aus keine Integration in die Schulmedizin möglich. In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhundert hat es eine entscheidende Weichenstellung in der Medizingeschichte gegeben. Aus der Auseinandersetzung zwischen dem Hauptvertreter der Humoralpathologie (eine modernere Form der Säfte oder Elementelehre), dem Wiener Pathologen Rokitansky, und dem Zellularpathologen Virchow hat sich die Zellularpathologie behaupten können, so daß die Medizin sich vorwiegend auf die Erforschung der Zelle konzentriert und die Zelle als kleinste Einheit des Lebewesens anerkannt hat. Ihr verdanken wir die Entdeckung der Krankheitserreger und deren Bekämpfung und viele segensreiche Entwicklungen der Medizin. Die Fortsetzung hat heute in der Gentechnologie ihren Gipfel erreicht.
Eine weitere Teilung ist ohne Veränderung der Eigenschaften, die in der Erbmasse angelegt sind, nicht möglich. Die Humoralpathologie hingegen hat sich vorwiegend mit den Lebensprinzipien beschäftigt und den Regulationen Heute können wir ihr die kybernetischen Modelle der Grundregulation die Homöopathie und Akupunktur zuordnen.

Erst in unserer Zeit, also etwa weitere 200 Jahre später entwickelt sich zunehmend das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer Integration der komplementären Methoden in die wissenschaftliche Medizin. Ausdruck für dieses Bewußtsein ist nicht nur die namhafte Zahl der Ärzte, die sich nach ihrer Ausbildung einer oder mehreren komplementären Methoden zuwenden und sie auch anwenden, sondern auch die Entwicklung der Ganzheitsmedizin im deutschen wie im anglo - amerikanischen Raum.
Die Medizin ist eine Entwicklung gegangen, bei der nahezu unbegrenzte Möglichkeiten bestehen oder zumindest für die nahe Zukunft zu erwarten sind. Organtransplantationen, Gentechnik, neue Medikamente, Gelenksersatz sollen nur beispielhaft angeführt sein. Die Frage heute gilt deshalb nicht mehr so sehr dem, was wir technisch machen können, sondern zunehmend dem was wir aus ökologisch - ökonomischer Sicht machen dürfen. Fragen der Ethik werden dringlicher, weil die Verteilung der Ressourcen ein gesellschaftliches Problem und kein medizinisches ist.
Mit dieser Technisierung der Medizin hat aber auch die „ich - es“ Beziehung (nach M.Buber) neue Blüten hervorgebracht. Der Kranke wird zum Objekt, die Krankheit versachlicht, der Arzt austauschbar. Der Mensch als Patienten bleibt oft unbefriedigt, und auch der Arzt möchte in seiner therapeutischen Beziehung einmalig sein. Das ist mit ein Grund für den Erfolg der komplementären Methoden.

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